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Kinder erleben Verlust – Opa, wo bist du?

Von Kathrin

Ich erinnere mich noch sehr genau. Am Abend hatte ich so ein Gefühl, dass etwas passieren könnte und als ich am frühen Morgen auf mein Telefon sah, hielt ich inne. Ein Anruf in den frühesten Morgenstunden ließen mich erahnen – es ist passiert. Heute vor 5 Jahren verabschiedete sich mein erster geliebter Mensch aus der Familie. Ich war 30 und fühlte mich glücklich, nahezu gesegnet, dass ich bisher von tiefer Trauer verschont blieb. Ich kann auf viele gemeinsame Jahre mit meinen Großeltern zurückblicken und bin so froh, sie auch als Ur-Großeltern erleben zu können.

Es traf uns alle überraschend und tief. Mein so liebevoller und fröhlicher Opi ging, einfach so. Damals war ich hoch schwanger und meine Gefühle zeigten sich so tief. Voller Dankbarkeit und Liebe, für all die gemeinsam Jahre und ebenso tief traurig. Unser Sohn verstand den Tod mit seinen drei Jahren auf seine persönliche und noch sehr magische Art. Mir halfen seine Ideen, sie glichen oft einem Zauber. Er sprach mit seinem Uropi und plapperte nahezu fröhlich mit und über ihn. Mal war er im Himmel, mal bei uns und andere Tage zauberte er ihn mit seinen Ideen an phantasievolle Orte. Auf seiner Beerdigung war er nicht dabei, sie war klassisch. Er verbrachte die Zeit spielend und wild.

Die Zeit heilt alle Wunden?

Die Zeit vergeht und tatsächlich verändert sich der Schmerz. Er kommt in Wellen, unberechenbar stark und in seinen eigenen Abständen. Erinnerungen fühle ich mit einem Lächeln, aber auch nach 5 Jahren fehlt er! Ja, es bleiben Narben und ich möchte sie nicht missen, denn sie zeigen mir, dass ich liebe.

Etwas später begegneten wir dem Tod erneut, meine anderen Großeltern starben mit etwas Abstand zueinander. Ihr Leben war reich und auch sie konnten auf unzählige gemeinsame Jahre zurück blicken. Für die Hinterbliebenen ist der Verlust so schmerzhaft. Die Urenkel, meine Kinder, wurden zwei weitere Male mit dem Tod konfrontiert. Besonders der Größere beobachtete weitere Male, wie wir Erwachsenen mit Trauer umgehen.

Kinder erfahren Tod anders

Mit den Jahren wächst die Fähigkeit zur Perspektivübernahme der Kinder und sie fühlen mit uns und fühlen selbst. Sie sehen uns trauernd, weinend, schwach, organisierend. Sehen, wie wir unsere Gefühle leben und auch, dass das Leben weiter geht. Es geht weiter, immer weiter. Aber jedes Kind ist individuell und jedes Kind geht mit den persönlichen Gefühlen anders um. Das eine möchte reden und stellt Fragen. Ein anderes zieht sich bei schweren Gefühlen eher zurück und geht diesen aus dem Weg. Ein anderes zeigt sich wiederum körperlich, kuschelt, tröstet und versucht die anderen aufzubauen.

Opa, wo bist du?

Nun überraschte uns der Tod in diesem jungen Jahr ein weiteres Mal. Er rückte noch ein Stück näher. Ein lustiger, optimistischer Mensch wurde aus seiner jungen Opa-Rolle gerissen. Für seine Enkel ist es eine nahe und überaus präsente Person und der Verlust ist ein weiteres Mal spürbar. Wissend, dass der Tod so gewiss wie unsere Geburt ist, sind wir im Umgang mit ihm nicht geübt. Wir sprechen wenig darüber und möchten uns diese traurigen Seiten des Lebens auch ungern vorstellen. Warum auch, es schmerzt ja unnötig.

Wie wir mit dem Tod umgehen, prägt unsere Kinder

Ich als Mutter möchte meinen Kindern gern an dieser Stelle etwas mitgeben. Ich möchte, dass sie all ihre Gefühle annehmen. Sie dürfen erfahren, dass Traurigkeit so gewiss und wichtig ist, wie das pure Glück. Ich möchte, dass sie keine Angst vor dem Tod entwickeln. Angst und Trauer wird oft mit der Farbe Schwarz gekennzeichnet. Ich möchte keine Angst, ich möchte kein Schwarz. Ich möchte, dass der Tod für uns eine andere Bedeutung erhält. Der Tod tritt ein, wenn der Körper eines Menschen aufhört zu atmen, das Herz aufhört zu schlagen. Aber die Erinnerungen sind mit und um uns. Ich möchte, dass sie erleben, dass wir vermissen und traurig sein und gleichzeitig lachen und über ihn sprechen können. Er lebt ein Stück in uns, für immer. Lassen wir dies zu und beobachten unsere Kinder, so zeigen sie uns wieder einmal so wertvolle Dinge. Sie teilen ihre Erinnerungen, sie telefonieren mit ihm und lassen mich wissen, welche Urne er sich wünscht und spüren ihn: „Mama, ich spüre Opa in meinen Adern!“. Ich lasse es zu und lächle!

Ein Abschiedsfest – wie sagen wir Tschüß?

Was uns dieser Abschied schenkt, ist die Möglichkeit den Verlust vom Opa anders zu leben. Er gibt uns die Freiheit, seinen Abschied zu feiern, wie es für ihn und uns am Schönsten ist.

Ich denke an einen Standspaziergang im letzten Jahr. Er erzählte mir aus heiterem Himmel davon, dass er sich wünscht „später“ im Meer zu sein. In dem Moment, so erinnere ich mich, war das Gespräch über den Tod komisch, wenn auch natürlich. Nun, gerade mal 7 Monate später, bin ich dankbar. Dankbar darüber, seinen Wunsch zu kennen. Er erzählte uns auch, dass er sich bei der Wahl der „Trauerlieder“ ein Kinderlied wünscht, „denn es soll auch etwas für die Kinder dabei sein“. Und so entstand die Idee, dass wir seinen Abschied etwas anders als bisher zelebrieren. Es wird laut, bunt, lebendig und sicher nicht weniger emotional. Es wird auch bedacht und ruhig und vor allem eins, nicht schwarz. Ich mag schwarz und ich finde auch das Gefühl der Angst wichtig. Aber der Tod soll den Kindern keine Angst machen. Vielleicht soll es sogar mir etwas die Angst nehmen?
Wir feiern an einem seiner Lieblingsorte, mit Lieblingsmenschen und lassen Raum zum „Sein“. Wir lassen Raum und Zeit für ihn und uns – wir sind mit ihm und feiern das Leben, so wie er es tun würde!

Persönlich wünsche ich mir, dass wir und besonders die Kinder einen gesunden Umgang mit diesem schmerzhaften Thema erfahren. Es wird nach dem Sturz kein „Steh auf, hat doch nicht weh getan“ geben. Wir können immer nur erahnen, wie es einem anderen geht und was er gerade braucht. Ein Pflaster klebt die Wunde nur ab und verschließt sie. Aber sie kann nicht heilen. Dafür benötigen wir Zeit und Ruhe. Und Trauer benötigt eben genau diese Zeit, sie verläuft in Wellen. Und das ist okay. Wir lieben, leben, lachen und weinen. Das ist das Leben!
Ich möchte, dass sie meine Kinder erleben, dass wir für uns da sind, in guten und in schlechten Zeiten und ich sie liebe wie sie sind. Immer und für immer!


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