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Empfehlung „Mama, was schreist du so laut“ – Wut in Gelassenheit verwandeln

Von Kathrin

Britta Hahn (2010): Mama, was schreist du so laut – Wut in Gelassenheit verwandeln.
Junfermann Verlag. Paderborn.
ISBN 978-3-87387-766-5

„Was fällt Eltern und Kindern ein, wenn sie schreien oder sogar schlagen, obwohl sie mit der Gewaltfreien Kommunikation einen liebevollen gemeinsamen Umgang anstreben? Unwillkürliches Handeln und Fühlen begleitet den Menschen. Die Vernunft hat da wenig zu melden. Gleichwertiges Zusammenleben kann gelingen, wenn Eltern mit dem Unwillkürlichen kooperieren, statt ES zu bekämpfen.“

Hahn, 10

Wütende Eltern, wütende Kinder?

Mit diesen Worten zu Beginn, hatte mich das Buch gefesselt. Ja, warum schreien und wüten Kinder, obwohl wir doch die Gewaltfreiheit predigen und ich „alles“ über die Gehirnstruktur mit der Bedeutung des präfrontalen Cortex weiß. Ja, klar, die Vernunft ist manchmal ausgeschalten und dummerweise besonders in stressigen Situationen und nach zwei, drei Wutattacken verabschiedet sich auch meine. So, nun war ich gespannt und hoffte auf Gelassenheit, nachdem ich dieses Buch studiert habe. Mal sehen…

„Manche Eltern werden wütend und reagieren gegenüber ihren Kindern schreiend, sogar mit einem Klaps oder heftigen Schlägen, um kurze Zeit später zu bereuen, was sie ihnen angetan haben. Obwohl sie ihre Kinder lieben und sich nie im Traum hätten vorstellen können, dass so etwas passiert, ist ES da: Ich liebe doch mein Kind, wieso habe ich es so angeschrien? Ich verstehe nicht, was in mich gefahren ist. Natürlich habe ich mich entschuldigt, aber am liebsten wäre mir, ich könnte vorher merken, dass ich etwas tue, was ich eigentlich nicht möchte. ES passiert einfach so.“

Hahn, 12

Nun wissen wir, dass Gewalt in jeglicher Hinsicht verboten ist und Kinder ein Recht auf eine gewaltfreie Kindheit haben. Das ist so unglaublich wichtig, aber ebenso begrüße ich den Umgang mit den Fehlern sehr. Denn zu wissen, dass wir Kinder nicht anschreien, demütigen, verletzten oder hauen dürfen, ist das eine. Was aber, wenn es passiert? Wie gehen wir damit um, damit es nie oder nie wieder passiert? Die Verantwortung liegt definitiv auf unserer Seite – immer! Egal, ob unsere Grenze verletzt wurde, wir haben nie das Recht, die unseres Kindes ebenso zu verletzen. Haben wir es schwer damit, sollten wir in uns gehen und fühlen, lernen, lesen, reden, um uns selbst zu stärken.

Zu Beginn des Buches…

… erläutert die Autorin das unwillkürliche und zum Teil unbewusste Verhalten von uns Erwachsenen und wie wir dieses Verhalten in willkürliches verwandeln können. Es geht darum zu verstehen, wie und warum wir diese unwillkürlichen Verhaltensweisen gelernt haben – sei es in einem bestimmten scharfen Ton zu sprechen, ein Kind unsanfter als gewollt anzufassen, in bestimmten Situationen aufzuschreien.

Es ist für die Heilung so wichtig zu verstehen, was passiert in uns, wenn das passiert. Verstehen wir den Sinn dieser Reaktionen, so kann es uns gelingen, uns selbst „empathisch und wertschätzend zu begleiten“ , wenn wir unwillkürlich reagieren. Die Autorin schreibt, dass ein jüngerer Teil in uns nach Empathie ruft, das innere Kind in uns braucht Verständnis, bis hin zu Trost.

Weg von der Sichtweise: „Ich habe geschrien, weil du trotz häufigem Bitten dir nicht die Schuhe angezogen hast und ich nun zu spät zur Arbeit komme“.
Denn genau darin liegt nicht die Lösung des Problems, es verschiebt das ganze nur.

Die Autorin möchte den Leser dabei begleiten in genau diesen Momenten gelassen und nach unserem Willen willkürlich zu reagieren. Denn sie selbst hat die Erfahrung gemacht, dass sie trotz vieler Ratgeber über Achtsamkeit und liebevolle Begleitung von Kindern unsicher darüber war, ob doch Disziplinierungsmaßnahmen sein müssten, damit „es funktioniert“. Aber zum Glück war dies nicht nötig, denn sie fand einen Weg, indem sie ihre eigenen Reaktionen veränderte.

Das Gehirn

Nun, einleitend versprach ich so einiges über das Gehirn und dessen Aufbau zu wissen. Die Autorin beschreibt diesen aber auf eine ganz besonders bildhafte und mit vielen (bleibenden) Beispielen eindrucksvoll. Eine lebendige Version, die den Aufbau des Gehirns und die Funktionen vom Stamm-, Klein,- Mittelhirns darstellt.

Unwillkürliche Reaktionen

Die Autorin nutzt das Beispiel einer heißen Herdplatte, von der wir unsere Hand schnell wegziehen, damit wir uns vor der Hitze und vor Verbrennungen schützen. Dieses Verhalten ist somit erwünscht und für uns von Vorteil.

Nun haben wir aber den Wunsch mit unserem Kind „in einem sozial verträglichen Ton“ zu sprechen und schreien es in einer Situation plötzlich an. Dieses Verhalten ist ungewollt und unser Gehirn aktiviert ein unerwünschtes Muster. Warum?

Manchmal werden alte Gefühle wach, die wir in unserer Kindheit selbst nicht ausleben konnten oder durften. Unser inneres Kind erlebt einen Wutanfall, im Körper des Erwachsenen (vgl. ebd., 28).

Im Weiteren werden „Trigger“, also Auslöser für unwillkürliches Verhalten erläutert. Manchmal genügen bereits Sätze, Signale oder Gefühle, die den Betroffenen in eine andere Zeit beamen.

„Der Betroffene wird zu der Person, die er damals war – hilflos und ausgeliefert. Obwohl er jetzt in Sicherheit ist, kann er sich gefühlsmäßig nicht schützen. Die Gefühle von damals überfluten ihn. Seine Körperkoordination ist in der Abwehrhaltung von damals. Auch seine Weltsicht gleicht wieder der von damals.“

ebd., 30

Veränderung ist möglich

Bei dieser Überschrift des nächsten Kapitels spüre ich ein Aufatmen. Es klingt häufig so spielend leicht die Schritte der GFK einzuhalten, in sich zu gehen und die eigenen Impulse zu kontrollieren. Bis wir dann in eben genau dieser Situation stehen, zu Hause im Stress und pünktlich zur Arbeit müssen oder allein mit einer Kindergartengruppe und nicht wissen, wo uns in diesem Moment der Kopf steht.

Die Autorin berichtet davon, wie sie ihre Muster durchbrochen hat, um in genau diesen aufreibenden Situationen nicht mehr zu schreien oder zu schlagen. Sie ging in die Akzeptanz, statt in die Beherrschung ihrer Impulse, aber immer mit dem Ziel, dass aggressive Handlungen gegenüber den Kindern ausbleiben m ü s s e n. Ihre Impulse nahmen ab, ihre Gelassenheit nahm zu.

„Sprang mein limbisches System unerwünscht an, dann wurde es zunehmend leichter für mich, dies als einen Hinweis zu sehen, dass eine frühere bedürftige Seite mich daran erinnert, wie damals Bedürfnisse nicht geachtet waren. Diesen Hinweis kann ich bis heute dankbar annehmen und mich vergewissern, dass ich heute alt genug bin, um für mich selbst ausreichend zu sorgen, was mir damals als Kind aufgrund meines Alters noch nicht möglich war.“

ebd., 32 f.

Fünf Schritte zum inneren verletzten Kind

Einleitend werden die Schritte, die zum Teil der Gewaltfreien Kommunikation entspringen, beschrieben. Diese sollen den Zugang zum eigenen verletzten inneren Kind ermöglichen. Dieses meldet alte ungestillte Bedürfnisse an. Es bittet um Zuwendung, die früher schlichtweg fehlte. Mit Hilfe der Empathie und den dargelegten Schritten, können alte schmerzhafte Situationen verändert werden und Neuverknüpfungen entstehen.

Die heilende Kraft der Empathie

Im weiteren Verlauf geht es um die Empathie der Beteiligten, welche sich bei der GFK in einem ständigen Hin- und Herschwingen, mit dem Ziel nach Balance, befindet. In diesem Kapitel wird die Macht der Wut erneut aufgegriffen, die rasend schnell aufkommen und ausbrechen kann. Zu verstehen was sich hinter der immensen Wut versteckt, zum Teil fehelnde Empathie, Autonimie und Zugehörigkeit, kann dabei unterstützen, aus alten Fallen und Mustern auszubrechen. Die Autorin nutzt alltägliche Beispiele und Dialoge zur Veranschaulichung. Sie nimmt uns mit zu den Mathegausaufgaben, in ein Möbelhaus, in dem das Kind der Mutter in der Öffentlichkeit unfreundlich begegnet – Situationen, in denen Eltern auf die Probe gestellt werden.

Mein Fazit

Das Buch ist fesselnd, einfach, lebendig und sehr praxisnah verfasst – ohne den wissenschaftlichen Anspruch zu verlieren. Ich konnte in der Empfehlung nur einen kleinen Einblick in die Fülle von Beispielen und Intensität des Inhalts geben. Es stellt sehr deutlich klar, dass wir allein mit unserem Bauchgefühl und unserem Wunsch nach bedürfnisorientierten Beziehungen nicht automatisch auf Augenhöhe und in Harmonie leben. Unser unwillkürliches Fühlen und Handeln schaltet sich häufig dazwischen und erschwert diese Vorstellung von einer friedlichen Elternschaft. Die Autorin zeigt auf eine sympathische Weise auf, wie die gewaltfreie Kommunikation genutzt werden kann, aber eben auch auf der Strecke bleibt, verlieren wir die Empathie für uns selbst. Das hilflose und überforderte Kind ist nun selbst erwachsen und erhält Unterstützung bei der Lösung seiner Probleme und für die „Bewältigung seiner Not“.

In diesem Buch geht es vorrangig um die Vorbilder, die Erwachsenen, die mit ihrer Geschichte, die Geschichte der eigenen Kinder maßgeblich prägen und beeinflussen. Es geht nicht darum die „Fehler“ im kindlichen Verhalten zu suchen, sondern viel mehr das Ganze gesamte zu verstehen und zu fühlen – sich selbst mit Empathie zu begegnen und das eigens Erlebte zu akzeptieren.

Ein gelungenes Buch, welches mir zur Vorstellung vom Verlag freundlicherweise zur Verfügung gestellt worden ist.

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